Leseprobe zum Thriller "Drecksgeschäft"

Ari, bloß weg hier“, schreit Franz. 

Der sieht nach unten, schiebt den Steuerknüppel kräftig von sich weg, tritt die Pedale. Der Hubschrauber kippt stark nach vorne und beschreibt eine Rechtskurve weg von den Männern auf dem Boden und fliegt rasant im Zickzack davon, die Kinder schreien. Walzer hört ein Geräusch über sich, so ein Plopp. Es war ganz leise. Er fragt sich, ob er überhaupt richtig gehört hat. Ari zieht den Helikopter knapp über einen Hügel. Sie haben die Kopfhörer auf. 

Max meldet sich. 

„Wir müssen zurück. Die warnen sonst den Rest der Bande, wenn sie es nicht schon getan haben.“

Ari nickt und reagiert blitzartig. Er reißt den Helikopter herum, lässt ihn tief runtersacken, fliegt einen kleinen Umweg, um direkt hinter einem Hügel aufzutauchen und schießt auf den Toyota zu. Ari schreit Alexander und Max zu, sie sollten sich fertigmachen. Dann sagt er zu Walzer: 

„Du auch.“

Ari ändert die Richtung ein wenig. Die zwei Männer unten stehen gebückt neben den auf dem Boden liegenden Figuren, sind wohl gerade dabei, die beiden von ihren Fesseln zu befreien, als der Hubschrauber auf sie zuschießt. Das muss aus ihrer Perspektive ein furchterregender Anblick sein. Panisch werfen sie sich auf den Boden, schmeißen die Gewehre weg. Walzer sitzt mit offenem Mund da, etwas Speichel rinnt ihm raus, er sabbert. So ein Ding kann er auch fliegen, aber was der Ari hier veranstaltet, das ist hohe Schule. Das wird er nie vergessen. Ari bremst brutal ab, die Maschine steht jetzt mit der Nase steil nach oben in der Luft. Die drei Männer und die Frau kriegen einen Orkan von oben ab. Blätter, Laub, Sträucher, Erdbrocken, alles fliegt herum. 

Max, Alex und Walzer springen heraus, kaum hat er aufgesetzt. Die meisten der Kinder weinen. Ari nimmt die Leistung weg, der Helikopter steht. Er sieht, dass die drei den zwei Männern aus dem Toyota schon die Fesseln angelegt haben. Die anderen zwei bekommen auch neue. Er steigt hinten wieder ein und kümmert sich um die Kinder, versucht, beruhigend auf sie einzureden. 

Walzer kommt, die beiden anderen auch.

„Ich finde, wir lassen sie einfach liegen, werden sich schon irgendwann befreien.“

Von hinten ruft Alexander: 

„Habe die Autoschlüssel und die Handys mitgenommen. Sogar die alte Schlägerin hatte so ein vergammeltes Telefon dabei.“

Walzer sagt zu Ari: 

„Ich habe nachgeschaut. In der Abdeckung der Turbine ist ganz hinten ein Loch.“

„Mist.“

Ari steigt aus, klettert hoch und öffnet die Abdeckung, schaut eine Weile prüfend hin und her, schließt sie und steigt wieder auf den Pilotensitz.

„Ich sehe nichts.“

Er startet. Walzer hört genau hin. Das Turbinengeräusch ist wie vorhin. Die Jungen und Mädchen haben sich ein wenig beruhigt. Auf den hinteren Sitzen kümmern sich zwei harte Kämpfer um kleine Kinder. Einer der Jungs muss mal. Max hilft ihm, in den Eimer zu pinkeln. Die beiden setzen danach ein Mädchen drauf und halten sie fest, damit sie nicht runterfällt. Als sie fertig ist, ziehen sie ihr wieder das Höschen und die Strumpfhose hoch. 

Walzer fragt: 

„Könnt ihr auch Windeln wechseln?“

„Klar Franz, aber die sind alle schon stubenrein“, antwortet Alexander und grinst von einem Ohr zum anderen.

„Der Öldruck ist gut, sonst auch nichts Ungewöhnliches“, sagt Ari.

Max fragt: 

„Ist was mit der Turbine?“

„Wir haben ein Einschussloch in der Abdeckung, aber an der Turbine ist nichts zu sehen“, sagt Walzer.

„Hoffentlich geht das gut.“ 

Er lauscht die ganze Zeit auf das Geräusch der Rolls-Royce-M250-Turbine. Manchmal hat er den Eindruck, der Sound habe sich geändert. Einmal hat er Ari gefragt, ob der was Ungewöhnliches höre. Der hat den Kopfhörer abgenommen, konzentriert gelauscht und den Kopf geschüttelt. Er lässt Walzer auch mal eine Weile fliegen.

„Hast du doch gelernt.“

Walzer nickt. 

„Leider nicht so wie du.“ 

„Kannst ja Flugstunden nehmen“, sagt Ari grinsend.

Nach gut zwei Stunden überfliegen sie große Wasserflächen. In der Ferne windet sich ein breiter Fluss durch das Land.

„Rio Magdalena“, erklärt Ari und lässt den Hubschrauber langsam noch tiefer sinken. 

Die Kinder sind ruhig. Einige schlafen, die anderen sehen müde aus.

Ari lässt den Hubschrauber immer tiefer sinken und kreist einige hundert Meter vom Fluss entfernt über einem kleinen See. Kein Haus und kein Mensch sind weit und breit zu sehen bis auf einen Pickup. Ari landet den Hubschrauber neben dem Auto. Ein breit grinsender Mann mit einem Strohhut begrüßt sie herzlich, als sie aussteigen. 

Das hier ist ein anderes Wetter als in Bogota oder in den Bergen. Die Temperatur beträgt mindestens dreißig Grad. Mücken surren herum, stechen. Aber was sollen sie dagegen tun, keiner hat ein Mittel dabei.

Auf der Ladefläche des Pickups steht ein großer Tank, etwa einen Kubikmeter groß. Der Motor des Autos läuft. Sie ziehen einen Schlauch vom Pickup zum Einfüllstutzen des Hubschraubers. 

Max fragt Ari: 

„Was säuft der?“

„Hundert Liter pro Stunde“, ist seine Antwort. „Auf dem Rückflug hole ich mir hier bei ihm den Rest von dem Sprit ab.“

Der Treibstoff läuft. Das dauert eine Weile. Ari und Walzer checken die Turbine noch genauer. Ari zuckt nach einigen Minuten mit den Achseln. 

„Sieht nicht nach einem Problem aus.“

Als sie fertig sind, starten sie wieder. Die Kinder sind immer noch erstaunlich ruhig. Einige haben wieder ihr Geschäft erledigt. Walzer schöpft Hoffnung. Der Einschuss hat ihm Sorgen bereitet. Den ganzen Flug über. Langsam wird er ruhiger. Wenn die Turbine jetzt schon seit fast drei Stunden anstandslos ihren Dienst verrichtet, sollte nichts passiert sein. Ein Projektil kann verheerende Wirkungen in so einem Aggregat haben. Aber warum sollte sie dann so lange einwandfrei funktionieren? Es ist auch keine Flüssigkeit ausgetreten. Er versucht, sich von dem Gedanken zu lösen. 

 

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Axel Ulrich

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